Kamerahelm


Ein Kamerahelm im Selbstbau

Also, was braucht man alles ? Logisch, eine Kamera. Grundsätzlich geht jede Videokamera, die klein genug ist. Ich kenne persönlich nur Leute, die SONY-Kameras benutzen, aber selbstverständlich tut es genauso gut eine JVC, Panasonic oder was auch immer. Zumindest für den Anfang sind die Features eher nebensächlich, es muss keine Megapixel-Kamera mit eingebautem Webbrowser sein... sehr hilfreich ist aber zumindest DV-In, um auch (digital) aufnehmen zu können.

Dann braucht man einen Winkel, um die Kamera am Helm zu befestigen. Dieser Aluwinkel (siehe Bild) ist abhängig von der Kamera, es sollte halt noch genügend Platz sein, um die Kamera in schockdämpfendes Material (Schaumstoff) einpacken zu können. Die Materialstärke des Aluminiums sollte so etwa 1-1,5 mm betragen, mehr ist nicht notwendig und macht das ganze nur schwerer. Es sollte sehr darauf geachtet werden, dass alle Ecken abgerundet sind und die Kanten nicht scharf sind - wer sich jetzt fragt, warum das wichtig ist, sollte mal hier nachschauen...

Ganz links auf dem Bild sieht man eine Velcro-Schlaufe. Die eine Seite ist das Hakenband, die andere das Flauschband, beide sind in der Mitte zusammengenäht. Das ganze wird später um den Winkel und die Kamera gewickelt - siehe weiter unten. Außerdem erkennt man im Vordergrund die Schraube, um die Kamera von unten zu halten (gibt's im Fotogeschäft - Achtung, möglichst flache Version nehmen !). Das Ding links daneben ist ein kleiner Spiegel, den man sich mittig auf den Höhenmesser kleben kann - warum das Sinn macht, erzähle ich auch noch...

Ich habe den Winkel und das Velcro von Ulli Wambach, unserem Rigger am Platz, gekauft und dabei auch noch eine Menge gute Tipps bekommen (er baut das übrigens auch alles zusammen, wenn man mag). Insbesondere Ullis Hinweise zum vertikalen Blickwinkel der Kamera waren sehr hilfreich (siehe auch weiter unten). Die Schraube habe ich von einem guten Freund geschenkt bekommen ;-)

Ach ja, einen Helm braucht man natürlich auch noch. Ich habe einen Bonehead genommen, es kann aber auch etwas anderes sein (beispielsweise Gath). Für den Bonehead gibt es ein Chincup (im Bild links vorn), das anstelle der normalen Halteschlaufe montiert wird. Der Vorteil damit ist, dass der Helm praktisch nicht mehr auf dem Kopf wackeln kann. Bonehead meint übrigens, dass man neue Löcher für die Haltegurte des Chincup bohren soll - kann man machen, muss man aber nicht. Man kann auch mit etwas Geduld die Nähte der originalen Halteschlaufe mit dem Samt auftrennen (scharfer Cutter), die Teile abschrauben und das Chincup dafür anschrauben. Hat den Vorteil, dass die Originalschlaufe nicht in der Gegend rumfliegt, obwohl man sie gar nicht mehr braucht.

So. Das eigentlich spannende an der ganzen Angelegenheit kommt jetzt. Wie muss die Kamera an den Helm, damit sie später auch das aufnimmt, was ich sehe - und am besten auch noch in der Mitte des Bildes ? Dazu sollte man jemanden haben, der einem hilft - ich glaube nicht, dass man das alleine hinbekommt. Aber zuerst noch eine grundsätzliche Überlegung vorneweg - was will ich eigentlich filmen ? Eher Freefly oder eigentlich immer RW oder Tandems ? Das ist nämlich ziemlich wichtig für den vertikalen Winkel.

Die Zeichnung soll das verdeutlichen. Die pinkfarbene Linie ist jeweils die Blickachse (unter der Annahme, dass man nicht die Augen nach oben verdreht !). Die blaue Linie ist die benötigte Kameraachse. In Bauchlage beim Tandemfilmen sollte die Kamera bezogen auf die Geradeaus-Sichtlinie nach oben zeigen, damit man einen sinnvollen Ausschnitt seines eigenen Gesichtsfeldes auf dem Film hat. Das sollte natürlich auch im Sitfly so sein, allerdings muss hier die Kamera eher neutral positioniert sein, also (fast) parallel zur Sehachse (sonst müßte man beispielsweise beim Sitfly den Kopf fast auf die Brust nehmen, um jemanden vor sich zu filmen).

Bei mir ging das so: Helm aufsetzen, gerade hinstellen und möglichst geradeaus schauen. Nun markiert jemand, der von der Seite schaut, die Blickachse (zum Beispiel mit einem Streifen Kreppband auf dem Helm). Damit ist dann schon einmal ungefähr klar, wie der Winkel am Helm sitzen muss. Ich habe dann das Loch für die Befestigungsschraube in den Winkel gebohrt, die Kamera in den Winkel geschraubt und das ganze mit mehreren Streifen Kreppband am Helm fixiert. Dazu habe ich mich wieder gerade an einen Türrahmen gestellt und einen Punkt an einer etwa 3 m entfernten Wand angeschaut. Meine Freundin hat durch den Sucher geschaut und die Kamera mit Winkel so gedreht, dass der gleiche Punkt in Suchermitte war. Genau so haben wir den Winkel dann fixiert (das Stück Holz auf dem Bild diente zum Einstellen des horizontalen Winkels, es ist einfach mit Kreppband auf den Winkel geklebt).

Dann einfach erst mal ein Loch bohren - wenn der Winkel gut genug mit Krepp fixiert ist und man einen scharfen Bohrer hat, geht das, ohne den Winkel dabei zu verdrehen. Das Loch soll sinnvollerweise da sein, wo der Winkel an der Helmrundung anliegt. Im Bild ist das die Stelle, die wie ein Schmutzfleck auf dem Krepp aussieht.... dann eine Schraube durch das Loch und erst mal provisorisch festziehen. Jetzt kann man das Krepp abmachen und nochmal diese Konstruktion mit Kamera versehen, aufsetzen und checken, ob die Winkelstellung ok ist. Wenn alles ok ist, bohrt man noch die eigentlichen Befestigungslöcher weiter am Rand. Das ganze sieht dann ungefähr so aus wie im nächsten Bild.

Bevor nun alles zusammengeschraubt wird, wird das Velcro um den Winkel gelegt. Ich habe direkt auf den Winkel eine dünne Kunststoffplatte gelegt, dann das Velcro und noch eine Kunststoffplatte (die beiden weißen Platten auf dem Bild). In das Velcro müssen natürlich Löcher an den richtigen Stellen sein, sollte man mit einer heißen Nadel machen, damit die Ränder nicht ausfransen. Das Holzstück habe ich als Abstandhalter drin gelassen.

Als Schrauben habe ich Schloßschrauben benutzt, erstens hatte ich noch welche, außerdem sind die Köpfe sehr flach. Alternativ kann man auch Senkkopfschrauben benutzen. Falls zwischen der Kamera und dem Winkel genug Platz ist, gehen auch ganz normale Maschinenschrauben. Ich würde in jedem Fall M4-Schrauben benutzen...
Auf der Helminnenseite habe ich Stopmuttern benutzt (das sind Muttern mit einem kleinen Plastikring, die haben den Vorteil, dass sie sich bei Vibrationen usw. nicht selbständig lösen), die überstehenden Schrauben einfach abgeschnitten und mit den Muttern bündig gefeilt. Es gibt auch Spezialmuttern (z.B. Einschlagmuttern), die einen Ansatz haben und dadurch auf der Helminnenseite kaum auftragen (siehe kleine Zeichnung, das rote ist die Spezialmutter, das blaue die Schraube). Bei meinem Helm war das aber nicht notwendig. Allerdings sollte man wirklich drauf achten, dass nicht die Muttern aufs Hirn drücken :-)

Nun wird der Zwischenraum gefüllt. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten. Ich habe Plastikspachtel benutzt (Prestolith, gibt es in jedem Baumarkt), der wird sehr hart und kann garantiert nicht von einer Fangleine durchschnitten werden. Man kann damit auch gut den Übergang zwischen Helm und Winkel modellieren. Andere Methoden sind Bauschaum oder Heißkleber. Bei Bauschaum habe ich den Tipp bekommen, auf jeden Fall Zweikomponenten- Bauschaum zu benutzen, da der auch (in der Mitte...) ohne Luft aushärtet.
Bei Plastikspachtel sollte man beachten, dass der wirklich steinhart wird und beim Aushärten warm bis heiß (!!!) wird. Daher in mehreren Schichten arbeiten und immer nur kleine Mengen anrühren. Nicht zuviel spachteln, wegschleifen ist sehr viel anstrengender als nachspachteln ! Ach ja, wer nicht allein wohnt, sondern Freund/Freundin oder anderen Anhang hat, sollte das tunlichst nicht in der Wohnung (oder sogar Küche) machen, das Zeug stinkt auch noch zwei Tage später :-)

Und dann schleifen, spachteln, schleifen, spachteln.... der Endschliff sollte mit 500er oder 1000er Sandpapier gemacht werden. Je mehr Arbeit man hier reinsteckt, desto besser schaut das Ergebnis aus (auf der anderen Seite sieht das sowieso kein Mensch). Zumindest darf es keine Kanten geben, an denen sich eine Fangleine einhaken könnte.
Durch die doppelte Unterlage der Kunststoffplatten hat man beim Füllen den Vorteil, dass man mit der Füllmasse nicht direkt an das Velcro kommt und es vollschmiert. Alternativ kann man übrigens auch an den Kanten des Winkels (oben und unten) einen Schlitz schneiden und das Velcro als Schlaufe durch diese Schlitze ziehen, dann geht es nicht um den ganzen Winkel herum. Ich finde aber meine Lösung stabiler (und einfacher, es ist nicht so einfach, einen geraden Schlitz in den Winkel zu schneiden).
Wenn das fertig ist, einfach mit der Farbe eigener Wahl lackieren. Spätestens danach sieht man, wie gut man geschliffen und modelliert hat. Aber wie gesagt, eigentlich sieht das 'eh keiner.

So, fast fertig. Jetzt muss nur noch die Innenseite des Winkels mit Schaumstoff ausgekleidet werden. Aus den "Boden" kommt ein dünnes Stück Moosgummi, das mit doppelseitigem Klebeband befestig wird (und zwar über die gesamte Fläche !). Das Loch nicht vergessen, kann man ganz gut mit einer kleinen Schere in das Moosgummi schneiden. Wenn man es etwas kleiner macht, hält das Moosgummi später auch die Schraube fest. Bei der Gelegenheit kann man auch gleich das Loch für die Schraube in das Velcro machen (mit einer heißen Nadel).
Für die große Fläche habe ich dickeres Moosgummi genommen, ebenfalls aufgeklebt und dann die Konturen der Kamera mit einer scharfen Cutterklinge ausgeschnitten. Man sollte tunlichst darauf achten, dass dieses Moosgummi nicht unbeabsichtigt Tasten der Kamera drücken kann, wenn man sie anpreßT.
Oben kommt auch noch ein Stück Moosgummi in den Winkel. Zum Schluß habe ich noch ein Stück festeren Schaumstoff auf das Velco geklebt, um das ausklappbare LCD fest an die Kamera zu drücken.

Fertig ! An der Kamera sollte zum Springen der Autofokus ausgeschaltet werden und der Fokusring auf "fast unendlich" eingestellt werden. Der Ring muss unbedingt fixiert werden, das kann man entweder mit Tape machen (hinterläßt aber Spuren) oder mit einem Neopren- oder Gummiring. Die wohl einfachste Version ist ein Packgummi, der allerdings schon recht stramm sitzen sollte.
Jetzt noch den Spiegel auf den Höhenmesser kleben und das ganze ausprobieren gehen.

 

Denkt daran, das ist was neues, also erst mal höher ziehen. Die Kamera ist ein erhöhtes Risiko ! Überlegt vor dem Sprung, wie ihr den Helm bei einem echten Problem schnell vom Kopf bekommt (mit Kamera...!), und geht mal wieder Plan B durch - vielleicht nicht nur im Geiste, sondern auch mal mit echtem Griff am Simulator !?

Fragt auch vor dem ersten Sprung jemanden, der das schon mal gemacht hat. Es gibt einige Dinge, die man beachten sollte. Dumme Fragen gibt es hier nicht...

Und hier noch die Sache mit dem Spiegel auf dem Höhenmesser. Ich habe bei meinem ersten Videosprung während des Steigflugs ein paar kurze Aufnahmen gemacht. Kurz vor dem Exit dann Helm auf, Kamera an und raus - ich hatte keinen Spiegel....
Am Schirm habe ich die Kamera dann ausgeschaltet - dachte ich wenigstens. Na ja, wir haben dann beim Anschauen des Tapes gesehen, wie die Tür der Porter aufging, danach ist ein Schnitt und dann kommt meine Schirmfahrt in allen Details, Aufheben des Schirms und so weiter bis Ablegen des Helms in der Halle. Aber kein Freifall... die Kamera war wohl an, als ich den Helm aufgesetzt habe. Jetzt weiß auch jeder, wozu der Spiegel da ist (Kameras haben eine kleine rote Aufnahmelampe, die zeigt aber nach vorne....)

Statt dem Spiegel kann man auch eine optische Anzeige an den Helm bauen, sofern die verwendete Kamera über einen entsprechenden Ausgang verfügt. Bei SONY-Kameras heißt dieser Ausgang LANC-Interface, der zugehörige Stecker sieht wie ein Walkman-Kopfhörerstecker aus, ist aber dünner (2,5 mm Stereoklinkenstecker). Es gibt beispielsweise bei Paragear ein entsprechendes Kabel, das CamEye II heißt. Wenn die Kamera eingeschaltet ist, wird das durch eine LED angezeigt, die man so am Helm montiert, dass man sie im Augenwinkel sieht. Wird die Kamera auf Aufnahme geschaltet, so wird das auch durch die LED angezeigt. Bei dem CamEye II Kabel ist sogar noch ein Schalter eingebaut, um die Kamera steuern zu können.
Leider ist dieses Kabel ziemlich teuer (im Paragear-Katalog von 2001 immerhin 55 US$, dazu kommt dann noch Versand und MwSt.), daher habe ich mal das Protokoll auf diesem Interface angeschaut und so ein Kabel selbst gebaut. Hat zwar keinen Schalter, aber zeigt durch eine zweifarbige LED an, ob die Kamera eingeschaltet ist (LED grün - standby) und aufnimmt (LED rot - recording). Ich habe es nur noch nicht an meinen eigenen Helm angebaut... aber wenn sich jemand für so ein Kabel interessiert, so möge er mir eine Mail schreiben oder hier schauen. Ich habe meine Konstruktion bisher nur an einer SONY PC-9 ausprobiert, aber das Interface ist bei allen SONY Kameras gleich (sofern vorhanden).

Falls jemand weitere Tipps, Anmerkungen, Fragen hat, schickt mir einfach eine Mail. Einen anderen guten Artikel (von Stefan Köhler) über Freefly und Kameras gibt es übrigens auf freefly.de.